Der
amerikanische Zeitungsstrip "Liberty Meadows" war ein Shootingstar
in seinem Medium. Das verdankt er sowohl einer Besetzungsliste, die Menschen
und Tiere zu einem schlagkräftigen Ensemble zusammenspannt. Das verdankt
er aber genauso der geradezu klassisch schönen Grafik seines Schöpfers
Frank Cho. Der arbeitet mit der präzisen Linie eines Milton Caniff
oder Al Capp, und er hat auch deren Sinn für weiblichen Sexappeal.
Nicht umsonst ist die Tierpsychologin Brandy eine Attraktion der Serie,
attraktiv nicht nur für den schüchternen Tierarzt Frank, der
sie nicht ganz ohne Hoffnung anschwärmen darf, den zweiten menschlichen
Protagonisten des Strip. Nein, auch für den Leser (zumindest den
männlichen) entfaltet Brandy einen knisternden Charme.
Brandy
und Frank arbeiten in Liberty Meadows, einem "Refugium für Tiere,
die von Menschen aus ihrem Lebensraum vertrieben wurden", so erklärt
es der Strip selbst. Und damit kommt die zweite Gruppe von Handlungsträgern
ins Spiel: Viecher voller Spleens, Neurosen und Verdrehtheiten, zum Beispiel
der Breitmaulfrosch Leslie mit Strohhut. Frank Cho hat jedem dieser Viecher
einen markanten Charakter gegeben. Allerdings werden sie damit in ihren
Auftritten nicht festgelegt. Sie haben zahlreiche Spiel- und Entwicklungsmöglichkeiten,
eine wichtige Qualität von "Liberty Meadows". Sie können
auch in ganz neue Rollen schlüpfen und zum Beispiel zahlreiche Typen
der amerikanischen Populärkultur durchspielen, sich hineinträumen,
Handlungsmuster übernehmen und zugleich verfremden. Damit bekommt
der Strip zusätzlich eine parodistische Dimension und spießt
den American Way of Life ein wenig auf - freilich ganz sanft. Überhaupt
ist Sanftmut eine weitere Stärke von "Liberty Meadows".
Frank
Cho kam 1971 als Duk Hyun Cho in Südkorea zur Welt. Als er sechs
war, wanderten seine Eltern in die Vereinigten Staaten aus. Auf dem College
kreierte er seinen ersten Strip für die Schülerzeitung. Sein
Universitätsstudium der Medizin inspirierte ihn dann zum Vorläufer-Strip
von "Liberty Meadows" mit dem Titel "University ²".
Darin wurden zahlreiche Figuren skizziert, die erst in der abgewandelten
Zeitungsversion ihre volle Wirkung und Vielschichtigkeit entfalten konnten.
Diese Vielschichtigkeit sowohl der Charaktere wie der Handlungsstränge
erlaubt eine hohe Variationspotenz der einzelnen Episoden und sorgt dafür,
dass der Strip immer neue Überraschungen bereit hält. Obwohl
er für den Strip einen in Amerika äußerst raren 15-Jahres-Vertrag
erhielt, hat Frank Cho seine Arbeit daran inzwischen eingestellt. Aber
keine Angst: Die groteske Menagerie tritt weiter auf - als Helden eines
Comic-Heftes. Und dieses novellistische Ambiente haben sie sich hoch verdient.
(HH)
© Stadt Erlangen und Verfasser
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