Hermann Huppen hat in Brüssel eine Ausbildung als Innenausstatter
absolviert. Die Entwürfe, die er für Einrichtungen zeichnete,
sollen viele Details enthalten haben, die man normalerweise nicht auf
solchen eher nüchternen Blättern findet. Da kommt es auf die
Positionierung von Stuhl und Tisch an und nicht auf Zeichen von Leben
in der Bude. Aber Hermann Huppen interessierte sich schon früh für
das "Zeichnen von natürlicher Architektur", wie er es nannte.
Um sich darin zu vervollkommnen, besuchte er die Abendkurse der Akademie
de Dessin de Saint-Gilles. Schließlich war Mutter Huppen 1950 mit
ihren drei Kindern extra von dem kleinen Dorf Beverce in der Nähe
von Malmedy, in dem Hermann 1938 geboren worden war, in die Großstadt
gezogen, um ihnen einen besseren beruflichen Start zu ermöglichen.
Bevor er Innenarchitektur studierte, ging Hermann Huppen für ein
paar Jahre nach Kanada. In Montreal entwarf er für eine große
Agentur vor allem Einrichtungen für Bars und Restaurants.
Jetzt, da Hermann seinen Vornamen zum Künstlernamen gemacht hat und
längst ein erfolgreicher Comic-Künstler ist, merkt man manchen
Panels die Herkunft noch an. Detailverliebt gestaltet er dann Innenräume.
Und Bars und Kneipen werden von all seinen Helden oft genug besucht: Spelunken
der ganzen Welt in der Abenteuerserie "Andy Morgan" (im Original
"Bernard Prince"), Saloons im Western "Comanche",
mittelalterliche Gasthäuser in der Kreuzzugsgeschichte "Die
Türme von Bos-Maury", postmoderne Wirtschaften im postapokalyptischen
Zyklus "Jeremiah". Hermann ist ein Genre-Zeichner, wobei er
die Klassiker Abenteuer und Western, für die ihm Greg die Szenarios
schrieb, verlassen hat in selbstgetextete Erzählungen, die diese
variieren. Hermann ist mit großer handwerklicher Perfektion ein
Naturalist, bei dem Schauplätze und Personal nicht geglättet
werden, sondern mit allen Ecken, Kanten und auch Hässlichkeiten erscheinen.
Letztlich ist nur die Natur, die Hermann manchmal zu atemberaubenden Panoramen
inszeniert, das Schöne. Es ist merkwürdig, wie ungebrochen sie
den Atomkrieg überstanden hat, durch dessen (allerdings zunehmend
geringere) Verwüstungen Jeremiah und sein Kumpel Kurdy (ein traditionelles
Abenteuergespann) reisen.
Hermann
ist ein geborener Geschichtenerzähler. Doch die Textlastigkeit seines
Lehrers Greg (Michel Régnier), die letztlich ein Misstrauen in
die semantischen Möglichkeiten der Bilder dokumentierte, hat er in
den eigenen Geschichten reduziert, gestaltet ganze Seiten ohne ein Wort,
klinkt Bilder (z.B. Pferdehufe in Großaufnahme) ein, um Geräusche
sichtbar zu machen. Die Grammatik der Comic-Narration beherrscht er perfekt.
Er ist ein Genre-Autor - auch in der Seiteneinteilung und im Bildaufbau.
Der Leser kann sich auf ihn verlassen. Die Farbgebung ist dezent bis delikat.
Das Personal wird deftig typisiert. Kleine Schläge mit der Feder
oder dem Rapitographen nehmen Gesichtern, Landschaften, nehmen postatomarer
Stadtarchitektur oder architektonischen Stilzitaten aus dem Mittelalter
die Glätte, rauhen das Geschehen auf. Ein Geschehen, in dem Gewalt
eine große Rolle spielt, ebenfalls auf naturalistische Art.
Hermann traut sich politische Unkorrektheit zu. Er plädiert für
die Todesstrafe. Er hat mit "Sarajevo Tango" ein deutlich serbenfeindliches
Propaganda-Album geschaffen, in dem westliche Diplomaten als einfältige
Verharmlosungs-Eintänzer auftreten. Ein sperriger Charakter ist Hermann
Huppen in manchem Aspekt, in der Bedienung des Mediums ein Traditionalist.
Aber wo kämen sonst die Geschichten her, die sich rasch, leicht und
angenehm lesen lassen? (HH)
© Stadt Erlangen und Verfasser
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