Hermanns Welten

Kongresszentrum Heinrich-Lades-Halle – Großer Saal
30. Mai – 2. Juni
Do 12-19 Uhr
Fr, Sa 10-19 Uhr
So 10-18 Uhr

 

Hermann Huppen hat in Brüssel eine Ausbildung als Innenausstatter absolviert. Die Entwürfe, die er für Einrichtungen zeichnete, sollen viele Details enthalten haben, die man normalerweise nicht auf solchen eher nüchternen Blättern findet. Da kommt es auf die Positionierung von Stuhl und Tisch an und nicht auf Zeichen von Leben in der Bude. Aber Hermann Huppen interessierte sich schon früh für das "Zeichnen von natürlicher Architektur", wie er es nannte. Um sich darin zu vervollkommnen, besuchte er die Abendkurse der Akademie de Dessin de Saint-Gilles. Schließlich war Mutter Huppen 1950 mit ihren drei Kindern extra von dem kleinen Dorf Beverce in der Nähe von Malmedy, in dem Hermann 1938 geboren worden war, in die Großstadt gezogen, um ihnen einen besseren beruflichen Start zu ermöglichen. Bevor er Innenarchitektur studierte, ging Hermann Huppen für ein paar Jahre nach Kanada. In Montreal entwarf er für eine große Agentur vor allem Einrichtungen für Bars und Restaurants.
Jetzt, da Hermann seinen Vornamen zum Künstlernamen gemacht hat und längst ein erfolgreicher Comic-Künstler ist, merkt man manchen Panels die Herkunft noch an. Detailverliebt gestaltet er dann Innenräume. Und Bars und Kneipen werden von all seinen Helden oft genug besucht: Spelunken der ganzen Welt in der Abenteuerserie "Andy Morgan" (im Original "Bernard Prince"), Saloons im Western "Comanche", mittelalterliche Gasthäuser in der Kreuzzugsgeschichte "Die Türme von Bos-Maury", postmoderne Wirtschaften im postapokalyptischen Zyklus "Jeremiah". Hermann ist ein Genre-Zeichner, wobei er die Klassiker Abenteuer und Western, für die ihm Greg die Szenarios schrieb, verlassen hat in selbstgetextete Erzählungen, die diese variieren. Hermann ist mit großer handwerklicher Perfektion ein Naturalist, bei dem Schauplätze und Personal nicht geglättet werden, sondern mit allen Ecken, Kanten und auch Hässlichkeiten erscheinen. Letztlich ist nur die Natur, die Hermann manchmal zu atemberaubenden Panoramen inszeniert, das Schöne. Es ist merkwürdig, wie ungebrochen sie den Atomkrieg überstanden hat, durch dessen (allerdings zunehmend geringere) Verwüstungen Jeremiah und sein Kumpel Kurdy (ein traditionelles Abenteuergespann) reisen.
Hermann ist ein geborener Geschichtenerzähler. Doch die Textlastigkeit seines Lehrers Greg (Michel Régnier), die letztlich ein Misstrauen in die semantischen Möglichkeiten der Bilder dokumentierte, hat er in den eigenen Geschichten reduziert, gestaltet ganze Seiten ohne ein Wort, klinkt Bilder (z.B. Pferdehufe in Großaufnahme) ein, um Geräusche sichtbar zu machen. Die Grammatik der Comic-Narration beherrscht er perfekt. Er ist ein Genre-Autor - auch in der Seiteneinteilung und im Bildaufbau. Der Leser kann sich auf ihn verlassen. Die Farbgebung ist dezent bis delikat. Das Personal wird deftig typisiert. Kleine Schläge mit der Feder oder dem Rapitographen nehmen Gesichtern, Landschaften, nehmen postatomarer Stadtarchitektur oder architektonischen Stilzitaten aus dem Mittelalter die Glätte, rauhen das Geschehen auf. Ein Geschehen, in dem Gewalt eine große Rolle spielt, ebenfalls auf naturalistische Art.
Hermann traut sich politische Unkorrektheit zu. Er plädiert für die Todesstrafe. Er hat mit "Sarajevo Tango" ein deutlich serbenfeindliches Propaganda-Album geschaffen, in dem westliche Diplomaten als einfältige Verharmlosungs-Eintänzer auftreten. Ein sperriger Charakter ist Hermann Huppen in manchem Aspekt, in der Bedienung des Mediums ein Traditionalist. Aber wo kämen sonst die Geschichten her, die sich rasch, leicht und angenehm lesen lassen? (HH)

© Stadt Erlangen und Verfasser

 zurück zu "Ausstellungen" nach oben