Thomas Ott: t.o.t.t.

Kongresszentrum Heinrich-Lades-Halle
30. Mai - 2. Juni 2002
Do 12-19 Uhr
Fr, Sa 10-19 Uhr
So 10-18 Uhr

 

So ist das: Man fährt irgendwann los und weiß nicht, ob man irgendwo ankommt. Oder: Man kommt irgendwo an und weiß nicht, ob man den Ort noch einmal verlassen kann. Jedenfalls wenn man in der Welt des Thomas Ott lebt. Da führen nahezu alle Straßen nach "Hellville". Nach der Höllenstadt hat er eines seiner Alben genannt. Es enthält Kurzgeschichten. Die Kurzform genügt. Zu mehr haben Otts Protagonisten meist keine Zeit, dann ist die schlimmst mögliche Wendung für sie eingetreten. Und was mit ihnen war, bevor sie auf die Bühne des Ott'schen Nachttheaters treten, interessiert ohnehin nicht. Man sieht diesen Figuren an, dass es Verlorene sind - von Anfang an. Wenn ihnen mehr bleibt als der Tod, dann ist es der Wahnsinn.
Eine zutiefst pessimistische Welt wird da geschaffen. Als Ausweg bleibt höchstens das Lachen. Otts Sinn fürs Makabre geht so weit, dass er dem Album "Hellville" eine Widmung voranstellt: "For Mom and Dad". In einem Jubelkranz umarmt sich dazu ein Paar von Skeletten, noch dazu an den Schultern verschmolzen wie Siamesische Zwillinge. Und nun fragt sich der Leser: Sind wirklich die Eltern gemeint? Ist das Bild dann eine Vorwegnahme des Kommenden oder eine Fixierung des Tatsächlichen? Oder ist alles überhaupt nur ein, na ja, Scherz? Es ist, als hätte Thomas Ott sein surrealistisches Manifest gelesen, das ja die größtmögliche Verunsicherung des Publikums verlangt. Selbstverständlich nährt sich seine Kunst aus den Konzepten der Surrealisten. Wo Tag ist und wo Traum, lässt sich fast nie unterscheiden. Auf welcher Ebene der Wirklichkeit oder der Kunst sitzt denn der Angler, der seinen Haken in einen Hut schlägt und ihn einem arglosen Passanten vom Kopf reißt, so dass der dem Hut hinterher und vor ein Auto springt? Der Angler aber, so zeigt das letzte Panel, fischt tatsächlich nur nach Hüten. Was ist denn Realität?
Thomas Ott stellt sie radikal in Frage. Er ist 1966 in Zürich geboren, hat dort die Kunstgewerbeschule absolviert und fertigt seit 1987 freischaffend Comics, Illustrationen und Trickfilme an. Einmal hat er sich sogar einen Superhelden ausgedacht. Doch "Phantom der Superheld" mit seiner lächerlichen Kopfmaske ist eine ziemlich jämmerliche Figur und den wirklichen Brutalitäten der Alltagswelt nicht gewachsen. Sonst ist Otts Kunst allein die Farbe der Nacht angemessen, also das Schwarz. Aus schwarzem Schabkarton kratzt er seine Geschichten. Das Weiß, die Farbe des Lichts, muss herbeigezwungen werden und bleibt immer von schwarzen Striemen durchsetzt. Licht ist aber auch allzu gefährlich, wie die Geschichte "G.O.D." belegt. Nach einer Engelserscheinung erstrahlt ein Arbeiter in hellem Licht. Das hat zur Folge, dass Sicherheitskräfte in seine Wohnung einbrechen, den Strahlenden zusammenschlagen, fesseln und in einer Sanka davon fahren. Als Logo trägt der Wagen das Auge Gottes. Und die nächtliche Straße, in der der Mann verladen wird, ist ganz eng, hermetisch, ausweglos.
Ott spielt häufiger mit metaphysischen oder mythischen Elementen aus den großen Erzählungen der Menschheit. Er spielt aber genauso mit Versatzstücken der Trivialkultur, mit Motiven der Schauerliteratur. So ist die Stimmung, die über Otts Welten liegt, direkt der Schwarzen Serie des Kinos entliehen. Und weil sich vielleicht die Handlungen nirgends anders abspielen als hinter den Stirnen verrückter Menschen, werden die Panels immer wieder von Gesichtern dominiert. Es sind Physiognomien und Porträts, die die Fassung bewahren wollen, wo alles Erleben längst fassungslos geworden ist. Denn aus den Fontanellen der Köpfe dringt unaufhaltsam Schwärze in den Tag. (HH)

© Stadt Erlangen und Verfasser

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