Martin Perscheid: Abgründe

Kongresszentrum Heinrich-Lades-Halle
30. Mai - 2. Juni 2002
Do 12-19 Uhr
Fr, Sa 10-19 Uhr
So 10-18 Uhr

 

Na das ist doch klar: Wenn an einer Klospülung das Schild hängt: "Männer bitte Brille hochklappen", dann schiebt der Herr seine Augengläser auf die Stirn und pinkelt durch diesen ausgeschnittenen Deckel in die Schüssel. Und wenn es auf der Tiefkühlpackung eines Fischgerichts als Gebrauchsanweisung heißt: "Die Fischstäbchen unaufgetaut der Packung entnehmen und 5-7 Min. von allen Seiten braten", dann stellt der (ebenfalls bebrillte) Herr die Dinger erst einmal hochkant in die Pfanne. Ist es da gerechtfertigt, die Herren deshalb einfach als "Deppen" zu bezeichnen, wie man es mit dem Personal von Martin Perscheid gern tut? Immerhin hat er der berühmten Zeichnung eines Mannes, der unter der Dusche eine Auflistung der zu waschenden Körperteile studiert, selbst mit der Unterzeile "Wenn Deppen duschen" versehen. Wird hier nicht vielmehr die Konsequenz von Sprache vorgeführt, die oft genug in die Absurdität zielt, wenn man sie wörtlich nimmt? Geht es nicht ebenfalls um Konsequenz bei der Beobachtung von Menschen, die sich immerfort Merkzettel oder - zeitgemäß - Merkmails machen? Wahrscheinlich ist es ganz einfach das Vorantreiben alltäglicher Banalitäten in die letzte Konsequenz, die dann ins Lächerliche umschlägt, welches den Cartoonisten Martin Perscheid zum erfolgreichsten deutschen Produzenten eines Zeitungs-Strips gemacht hat. Seine Serie "Abgründe" erscheint regelmäßig in mehr als 60 deutschsprachigen Zeitungen und Magazinen. Auch in Skandinavien liebt man den schwarzen Humor des Zeichners.
Perscheid ist Jahrgang 1966, von der Ausbildung her Druckvorlagenhersteller und Grafiker. Cartoons von Loriot und Mordillo überzeugten ihn jedoch davon, dass man mit der Produktion von gezeichneten Zeitungsbildern dem Leser Freude bereiten kann. Von beiden hat er Details ins eigene Werk übernommen: Loriots stark konturierenden Tuschestrich und die relative Emotionslosigkeit von dessen Personal, zugleich jedoch den um Empathie werbenden Stauneblick der Figuren Mordillos, den Perscheid dadurch erreicht, dass er vielen seiner Helden dicke runde Brillen aufsetzt. Mit diesen Voraussetzungen schickt er sie dann in einen Alltag, der entweder durch die beschriebene Sprachkonsequenz absurd wird oder durch die nur geringe Übertreibung gesellschaftlicher Verrücktheiten, wenn da einer mit dem Argument "Kein Autotelefon" bettelt und der andere mit der Sprechblase reagiert: "Meine Güte - so ein Elend!". Für seinen schlagenden Beitrag zur Weltsicht von Albert Camus genügt Perscheid meist ein einziges Panel mit klaren Umrissfiguren, die er manchmal noch in ungemischte Farben taucht. Ohne die Sprechblase wäre sein Werk allerdings kaum vorstellbar. Denn Martin Perscheid ist ein Meister der Sprachgroteske - aufs Bild gebracht. (HH)

© Stadt Erlangen und Verfasser


     









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