Stefan Dinter/Naomi Fearn/Martin Frei/Geier/Haggi/Peter Puck
Die Stuttgarter Comicer

Kongresszentrum Heinrich-Lades-Halle
30. Mai - 2. Juni 2002
Do 12-19 Uhr
Fr, Sa 10-19 Uhr
So 10-18 Uhr

Puck

 

Der Kulturwissenschaftler sucht immer nach Gemeinsamkeiten, wenn er die Kunstproduktion einer Region betrachtet. Er versucht, die Charakteristika dieser Region in den Produkten wiederzuentdecken, Wechselwirkungen herzustellen - und muss sich doch oft genug damit bescheiden, einfach die Vielfalt zu konstatieren. Genauso geht es, wenn man die Werke von sechs Comic-Künstlern betrachtet, die im Stuttgarter Raum leben und arbeiten. Da will sich nichts spezifisch Schwäbisches einstellen, abgesehen höchstens von "Fritzle, dem VfB-Aligator", einem Maskottchen für die Stadionzeitung des Stuttgarter Fußballclubs, den Martin Frei zeichnet. Aber der war in der vergangenen Spielzeit zwangsläufig nicht besonders bissig.
So stehen die sechs Zeichner Martin Frei (Jahrgang 1964), Hartmut Klotzbücher oder Haggi (Jahrgang 1961), Jürgen Speh oder Geier (Jahrgang 1963), Peter Puck (Jahrgang 1960), Stefan Dinter (Jahrgang 1965) und Naomi Fearn (Jahrgang 1976) vor allem für das Spektrum deutscher Comic-Produktion, das sich in den letzten Jahren entfächert hat. Wobei dann doch Unterschiede zu den bedeutenden Comicer-Gruppen in Berlin oder Hamburg auffallen. Die Schwaben teilen weder den Berliner Hang zu sehr individuellen, stark ästhetisch-archaischen Ausdrucksformen noch den Hamburger Touch von Pop und Underground. Die Stuttgarter sind Geschichtenerzähler, wenn auch auf ganz unterschiedliche Arten und Weisen.
HaggiSo nimmt Haggi in seinem Werk eine sehr bewusste Naivität an, schon in seinen frühen Arbeiten von "Ferdi" oder den "Abenteuern vom Lieben Gott", erst recht in seinem Hauptwerk, den Geschichten vom "Hartmut". Diese Geschichten werden immer wieder als Comics für Kinder verkannt, auch weil sie sich die Strichführung von Kinderzeichnungen zugelegt haben. Eigentlich sind es aber Meta-Comics über triviale Handlungskonstruktionen mit einem beinahe absurden Umgang mit der Orthografie. Sie lassen sich freilich auch von Kindern genießen, wenn diese nicht auf dem Tempo zeitgeistiger Medienware bestehen.
DinterSolche Kinder wiederum sind die Helden von Stefan Dinters Erfolgsserie "Die kleinen Mutterficker". Darin werden die Verhaltensweisen von Playstation- und Skateboard-Kids mit viel Zuneigung überhöht, vergrößert, freilich auch bedient.
In der besten Tradition der anthropomorphen Tiercomics steht Peter Pucks grandioser "Rudi", der Trends und Tragödien in Gesellschaft und "Szene" mit der Kunst satirisch eingesetzter Physiognomie-Studien auf ihre meist für das Individuum katastrophalen Pointen bringt.
GeierEin anthropomorphes Tier (nämlich ein Hase) ist auch "Horst" von Geier. Horst denkt immer nur an DAS EINE und macht seine mehr oder minder beglückenden Erfahrungen damit. Dass er Tierverkleidungen nicht braucht, um den Zeitgeist zu attackieren, hat Geier in zahlreichen anderen Arbeiten, etwa der durchsetzungsstarken "Lena Wombat", mit dynamischen Perspektivwirbeln bewiesen.
FreiMartin Frei ist ein Realist, der viel von der Figurengestaltung amerikanischer Mainstream-Comics gelernt hat (auch wenn er sie dann in der Parodie "Superbabe" in die Groteske verzerrt). Er erzählt gern Mainstream-Geschichten aus den Bereichen Action, Horror, Science-Fiction. Sein Hauptwerk "Gregor Ka im 21. Jahrhundert" verbindet diese Elemente mit Franz Kafkas ausweglosen Weltentwürfen.
FearnRealistisch, allerdings auf eine nette und zuckerbunte Art, sind auch die Geschichten, die Naomi Fearn in "Zuckerfisch" aus dem Studentenalltag berichtet. Sie benutzt das Comic-Medium, um wenigstens in der Zeichnung Phantasien sichtbar zu machen, Träume zu träumen.
So ganz weit weg vom Leben ist also keiner von den Stuttgarter Comicern. Das Leben hat bloß viele Comic-Gesichter und manchmal auch Comic-Fratzen. Mit diesen Geschichten lässt sich der deutsche Comic-Markt zwar nicht erobern, aber es lassen sich Nischen ausbauen, Gemeinden gewinnen und Zustimmung dazu erarbeiten, dass man dem Leben mit gezeichneten Geschichten durchaus nahe kommen kann. (HH)

© Stadt Erlangen und Verfasser

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