Seit es Projektionen gesellschaftlicher Organisationsformen
in die Zukunft gibt, also in die Möglichkeit, als Entwicklungsziel
oder als Warnung, war die Stadt bevorzugter Ort solcher Projektionen.
Denn die Stadt ist eine besonders hoch entwickelte Form sozialer Organisation.
Sie strahlt dazu noch die weithin sichtbaren Zeichen der architektonischen
Inszenierung solcher Organisation aus. Deshalb faszinierte sie seit je
besonders die Entwerfer von Zukunftsbildern, sei es in der klassischen
Malerei, sei es in der SF-Illustration, sei es in den Comicstrips. Auch
in diesem Medium halten sich Utopie und Dystopie die Waage, wie die beiden
wohl interessantesten Entwürfe von Comic-Städten in den letzten
Jahren zeigen.
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Der eine, der utopische Entwurf, ist "Terminal City"
von Michael Lark (Dean Motter schrieb das Szenario dazu). Dabei macht
Lark, der seit 1989 Comics zeichnet und sich immer wieder für urbane
Zonen interessiert, sei es in "Scene of the Crime", sei es in
den dichten Schatten seiner Adaption von Raymond Chandlers Kriminalroman
"Die kleine Schwester" oder jüngst in seinen Visionen von
Batmans Gotham City, etwas Erstaunliches. Er gestaltet seine Stadt aus
den Vorstellungen einer zurückliegenden Architektur-Utopie heraus
und gibt ihr die Formen der Neuen Sachlichkeit, wie sie in den späten
20er und 30er Jahren des 20. Jahrhunderts erdacht wurde. Beispielsweise
zeichnet er einen Landungsturm für Luftschiffe. Glatte Flächen
und weiche Rundungen konstruieren die Fassaden und schaffen eine kühle,
eben sachliche Grundstimmung, vor der auch die grotesk-kriminalistischen
Handlungen in "Terminal City" wie eingefroren ablaufen.
Den dystopischen Gegenentwurf dazu liefert der 30-jährige Amerikaner
Darrick Robertson, der schon für alle großen Superhelden-Verlage
gearbeitet hat. In der Serie "Transmetropolitan" gibt er der
Stadt selbst die Hauptrolle, auch wenn die nominell von einem abgefahrenen
Journalisten mit seiner Kolumne "Ich hasse diese Stadt" gespielt
wird (die Story schreibt Warren Ellis). Robertson treibt die Stadt in
Richtung der globalen metropolitanen Katastrophe, wie sie sich mit dem
ungebremsten Wachstum von Shanghai oder Mexico City längst andeutet.
Sie ist total multikulturell, hochkapitalistisch, ein grelles Neonmedium
zur Überwältigung ihrer desorientierten Bewohner einerseits,
auf der anderen Seite ein düsterer Slum, in dem brutalste Gewalt
die normalste Sache der Welt ist. Darick Robertsons "Transmetropolitan"
ist eine entsetzlich komische Stadtvision, deren Wirklichkeit unter unseren
Füßen gerade heranwächst. (HH)
© Stadt Erlangen und Verfasser
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