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Kategorie
3c |
Beste
deutschsprachige Comic-Publikation, Sekundärliteratur |
Scott McCloud "Comics neu erfinden", Carlsen Comics
Vor neun Jahren legte Scott McCloud mit "Comics richtig lesen"
die umfassendste, cleverste und witzigste kommunikationstheoretische
Analyse des Mediums Comic vor. Ein Werk, das McCloud eine Dozentenstelle
am Medien Labor des Massachusetts Institute of Technology und einen
extrem lesenswerten "Superman"-Run beschert hat. Für
jeden, der sich ernsthaft mit Comics auseinandersetzt, wurde der Band
zur Pflichtlektüre. Viel hat sich seitdem verändert: Die Industrie
steckt in der schlimmsten Krise ihres Bestehens, immer mehr Künstler
prügeln sich um immer weniger Leser. Während "Comics
richtig lesen" der Versuch einer Bestandsaufnahme war, denkt McCloud
mit seinem neuen Buch "Comics neu erfinden" weiter: In der
ersten Hälfte des Bandes beschäftigt er sich noch mit seinen
Zeitgenossen und den Veränderungen, die Künstler wie Spiegelman,
Lutes, Moore und Miller im Comicgenre bewirkt haben. Aber McCloud ist
zu klug, um sich auf diesen Lorbeeren auszuruhen. "Comics neu erfinden"
ist ein Buch aus dem Zeitalter des Umbruchs, ein work in progress, wie
auch McClouds Diskussionsbeiträge im Sprachrohr der Branche, der
Zeitschrift "Comics Journal", beweisen. Wie geht es weiter
im Zeitalter digitaler Produktion und Verbreitung von Bildgeschichten?
Welche neuen Erzähl- und Vertriebsstrukturen zwingt der Computer
dem Genre auf? Auch Scott McCloud kennt nicht die Antworten auf all
diese Probleme. Aber wenigstens stellt er die richtigen Fragen - und
dies in einer komischen, ironischen und vor allen Dingen sehr unterhaltsamen
und lesenswerten Art und Weise. (LuG)
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Gerald Munier, "Geschichte im Comic", Unser Verlag
Sekundärliteratur über Comics mit wissenschaftlichem Anspruch
ist rar, es überwiegen Liebhaberprojekte, die es meist an der notwendigen
Distanz zum Thema fehlen lassen. Gerald Munier, als Fachjournalist mit
Rezensionen zu Bildgeschichten seit Jahren in lokalen und überregionalen
Zeitungen präsent, hat seine im Jahr 2000 in Bielefeld angenommene
Dissertation der Frage gewidmet, welche Möglichkeiten zur Vermittlung
von historischen Stoffen der Comic bietet. Damit bringt Munier das Genre
ins Zentrum der aktuellen Bildungsdebatte, auch wenn seine empirischen
Befunde zur Qualität historisierender Comics nicht übermäßig
optimistisch stimmen. Die quantitativ großangelegte Erhebung zu
themenrelevanten Serien und Einzeltiteln ist neben der theoretischen
Grundlegung des geschichtswissenschaftlichen Umgangs mit Comics das
Herzstück des Buches und als solche schon aller Ehren wert. Doch
Munier schließt zur Illustration seiner Thesen noch exemplarische
Einzelanalysen an, die sich endlich einmal nicht den anerkannten Meisterwerken
der Gattung (etwa "Maus", "Blueberry" oder "Asterix")
zuwenden, sondern ihre Beispiele so wählen, dass der an Jörn
Rüsen orientierte historiografische Anspruch Muniers deutlich wird.
Diese durch keine falsche Rücksichtnahme getrübte Diskussion
des Potentials der Comics für die Geschichtsschreibung ist ein
ermutigender Schritt auf dem Weg zu einer von falscher Nostalgie freien
Comicforschung. (apl)
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Volker Hamann (Hg.), "Reddition", Edition Alfons
Bei ihrer Gründung im Jahr 1984 war die "Reddition"
ein Schülerstreich dreier comicbegeisterter Jugendlicher. Mittlerweile
hat sie fast zwanzig Jahre auf dem Buckel und wird als eines der profiliertesten
deutschsprachigen Fachmagazine geschätzt. Sie gilt als "Fels
in der Brandung" der oft schnell wechselnden Modetrends, deren
Autoren sachlich und kenntnisreich berichten, ohne sich den jeweiligen
Marktanforderungen unterzuordnen. Dabei werden die aktuellen Entwicklungen
keineswegs ignoriert. Die zwei- bis dreimal pro Jahr erscheinenden Hefte
konzentrieren sich in maximal drei Dossiers auf jeweils ein Thema oder
einen Autoren/Zeichner. Dabei kommen ganz unterschiedliche Aspekte zur
Sprache, wodurch sich eine große Vielfalt in der Berichterstattung
ergibt. Zu ihr trägt auch der vorbildliche Blick über den
Tellerrand auf benachbarte Medien wie Bildende Kunst, Film und Literatur
bei. Ergänzt durch sorgfältig zusammengestellte Werkübersichten
bilden die fundiert recherchierten und gut lesbaren Artikel ein umfangreiches
Archiv an Sekundärliteratur, das sowohl für Profis als auch
für Liebhaber eine reiche Informationsquelle darstellt. (pela)
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Marcus Czerwionka (Hg.),
"Lexikon der Comics", Corian
Die Bezeichnung "Lexikon"
verdient das von Markus Czerwionka herausgegebene Monumentalwerk eigentlich
nicht. Lexika sind in aller Regel dicke Wälzer, die möglichst
viele Stichwörter kurz und knapp abhandeln, ohne in die Tiefe zu
gehen. Das "Lexikon der Comics", eine lose Blattsammlung,
die regelmäßig ergänzt wird, ist viel mehr als nur ein
oberflächliches Nachschlagewerk. Wie kaum ein anderer achtet Markus
Czerwionka auf die Qualität und Ausführlichkeit der Beiträge,
die übersichtlich nach Werken, Personen und Themen/Aspekten gegliedert
sind. Die von ausgewiesenen Experten - darunter der Herausgeber selbst
- verfassten Texte stehen exemplarisch für solide recherchierte
Informationen und intelligente Analysen. Nicht wenige sind so umfangreich
angelegt, dass sie als eigenständige Monografien in Buchform erscheinen
könnten. Sorgfältig zusammengestellte Bibliografien vervollständigen
die Einträge. Vorbildlich ist die thematische Bandbreite, die weder
bestimmten Strömungen huldigt, noch sich anbiedernd dem Zeitgeist
unterwirft. Wissenschaftler, Journalisten und Leser, die mehr als nur
Eckdaten über ihre Lektüre und deren Verfasser erfahren möchten,
finden hier eine über viele Jahre gewachsene Quelle an Informationen.
(pela)
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Thierry Groensteen,
"Asterix, Barbarella & Co Meisterwerke aus dem Comic-Museum
Angoulême", Somogy éditions d'art/CNBDI, Angoulême
Im Bereich der bildenden
Kunst, dem großen Bruder der Comicstrips, kommt es immer wieder
vor, dass es Ausstellungskataloge zu Standardwerken bringen. "Asterix,
Barbarella & Co", Thierry Groensteens Begleitbuch zu einer
Ausstellung mit Originalen aus dem Comic-Museum in Angoulême,
die am Rande der Hannoveraner EXPO in Hildesheim gezeigt wurde, ist
ein Standardwerk zur Geschichte des kleinen Bruders. Und zwar zu jenem
ganz wichtigen Sektor grafischer Erzählungen aus dem französischsprachigen
Raum. Ohne diesen Sektor wären Comics in Deutschland nie ernst
genommen worden, denn Frankreich, Belgien und die Schweiz sind ohne
Zweifel die Länder, in denen Bildergeschichten zuerst erwachsen
und für Erwachsene konzipiert wurden. Groensteen, der Direktor
des Angoulêmer Museums, zeichnet die Entwicklung der epischen
Narrration im französischen Sprachraum von den Anfängen bei
Rodolphe Töpffer bis zum postmodernen Autorencomic detailliert
nach. Dabei geht es ihm nicht allein um die künstlerische und literarische
Entfaltung des Mediums, sondern auch um seine soziale Position und Funktion
im Wechselspiel der Musen. "Asterix, Barbarella & Co"
ist die erste Gesamtdarstellung der französischsprachigen Comic-Geschichte
in der deutschen Sekundärliteratur. Der kenntnisreiche Text wird
ergänzt durch eine prägnante Zeitspur und illustriert mit
vielen Abbildungen der ausgestellten Originalzeichnungen, die stets
markante Dreh- und Angelpunkte der europäischen Comic-Historie
repräsentieren. (HH)
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