
|
Kategorie
5 |
Bester
internationaler Szenarist |
Brian
Michael Bendis
Brian Michael Bendis ist zur Zeit ungeheuer produktiv. Für
Marvel hat er zwei Serien in der neuen, eher auf ein jugendliches Publikum
zugeschnittenen "Ultimate"-Reihe am Start, er hat gerade die
Traditionsserie "Daredevil" - samt spin-off "Elektra"
- übernommen und schreibt noch seine eigene Reihe um die Privatdetektivin
"Alias". Auf Deutsch erscheint gerade sein Spawn-spin-off "Sam
& Twitch", eine Serie, die erst so richtig vor Augen führte,
was für ein schlechter Autor der eigentliche Spawn-Schöpfer
Todd McFarlane schon immer war. Bendis' Spezialität sind seine äußerst
realistischen und witzigen Dialoge, die seine Handlungen voran treiben,
aber auch in der Plotkonstruktion kann man von ihm noch etwas lernen.
Seinen Pflock gesetzt hat der gelernte Journalist aus Cleveland mit seiner
knallharten Krimiserie "Jinx", einer Reihe von abgeschlossenen
Erzählungen und Comicromanen, die lose miteinander verknüpft
waren. Da gab es die Spielerballade "Goldfish", als zentrale
Figur fungierte die Kopfgeldjägerin "Jinx", dazu kam eine
Hand voll Sonderhefte, die True Crimes und Krimiparodien zum Inhalt hatten
und schließlich der Band "Torso", der demnächst auf
Deutsch erscheint. Hier beschäftigt sich Bendis mit dem ersten Serienmörder
in den USA, der 1935 in Cleveland sein Unwesen trieb. Ausgerechnet Eliot
Ness, der Mann, der Al Capone hinter Gitter gebracht hatte, war in diesen
Fall involviert. Ob und wie er den Fall gelöst hat, ist nie ans Licht
der Öffentlichkeit geraten, eine Tatsache, die Spekulationen Tür
und Tor öffnete und die beträchtlich zur Spannung von "Torso"
beiträgt. Mit Bendis ist ein Autor in der Comicszene erschienen,
der Krimis als die eigentliche Literaturform des neuen Jahrhunderts begreift
und diese Vorbilder mit dem Medium Comic verbinden kann. (LuG)
|
Frank
Giroud
Frank Giroud zählt zu den Veteranen unter den französischen
Szenaristen. 1956 in Toulouse geboren, arbeitete er bereits als 22-Jähriger
an pädagogischen Comicprojekten wie "La découverte du
monde en bandes dessinées" und "L'histoire du Far-West"
mit, die der Verlag Larousse Ende der 70er Jahre herausgab. Danach engagierte
er sich als Kurzgeschichtenschreiber für zahlreiche jüngere
Zeichner, von denen jedoch nur Paolo Eleuteri Serpieri größere
Bekanntheit erlangte. Giroud blieb lange in der zweiten Reihe, schrieb
Krimi- und Abenteuerszenarien und gelangte erst 1988 mit der von Daniel
de Carpentrie für "Spirou" gezeichneten Serie "Missouri"
auf die Seiten eines der großen Magazine. Fortan legte er das Schwergewicht
seiner Arbeit auf historische Stoffe und aktuelle politische Erzählungen,
was ihn unter anderem zu einer Zusammenarbeit mit André Juillard
führte, mit dem er eine Reihe über den Algerienkrieg konzipierte.
Giroud entwickelte dadurch ein großes Interesse für die muslimische
Welt, musste jedoch bis zum Jahr 2000 warten, ehe sein bislang größtes
Projekt auf den Weg kam: die für Glénat verfasste Serie "Le
Décalogue", die unter dem Titel "Zehn Gebote" bei
comicplus+ auf deutsch erscheint. Jede Folge der auf zehn Alben projektierten
Reihe widmet sich einem einzelnen Gebot. Doch diese Gebote entsprechen
nur zum Teil den bekannten biblischen; sie gehen vielmehr auf den Propheten
Mohammed zurück und sind erst im
19. Jahrhundert wieder aufgefunden und sofort wieder vergessen worden.
Nun aber jagen im 20. Jahrhundert zahlreiche Wissenschaftler, Romanciers,
Fanatiker und sonstige Interessenten diesem Dekalog nach. Da Giroud für
jeden der in sich abgeschlossenen Teile seines Zyklus einen anderen Zeichner
gewonnen hat, entsteht eine denkbar ungewöhnliche Reihe, die schon
nach drei erschienenen Folgen als revolutionäres Projekt einzuordnen
ist. Mit ihm beschreitet Giroud Neuland. (apl)
|
Tiziano
Sclavi
Tiziano Sclavi gilt als introvertierter Einzelgänger, der es
durchaus nicht schätzt, im Licht der Öffentlichkeit zu stehen.
Gar nicht so einfach, wenn man Autor einer Serie ist, die sich in Italien
Monat für Monat etwa eine halbe Million mal verkauft, und das seit
rund 15 Jahren. Inzwischen ist Tiziano Sclavi, nicht nur zur Freude von
Italienfans, auch diesseits der Alpen ein Begriff. Mit einem Stamm voneinander
abwechselnden Zeichnern, die allesamt ihr Handwerk sicher beherrschen, erzählt
der Autor die skurrilen und meist mit Horror-Elementen verbundenen Fälle
des Privatdetektivs "Dylan Dog", dessen Spezialgebiet das Unerklärliche
und Übernatürliche ist. Sclavi verbindet in seinen Geschichten
auf überzeugende und intelligente Weise Spannung mit Humor und verliert
bei allem Hang zum Mysteriösen nie ganz den Bezug zur Realität.
Damit macht er "Dylan Dog" zu einer einzigartigen Mischung aus
Gebrauchs- und Autorencomic, von dem man, wie von einer guten Soap Opera,
so schnell nicht wieder loskommt. (pela)
|
Philippe
Tome
Der
belgische Autor Philippe Tome ist hierzulande vor allem für seine Szenarios
zu so wichtigen Semi-Funny-Serien wie "Spirou und Fantasio", "Der
kleine Spirou" oder auch "Soda" bekannt. Wiewohl auch schon
in diesen Arbeiten Themen und Handlungselemente gezeigt werden, die weit
über das hinausgehen, was man allgemein von kindgerechten Funny-Comics
gewohnt ist, zeigt Philippe Tome darüber hinaus in Serien wie dem bitterbösen
Thriller "Tödliches Wiegenlied", das er auch noch ganz anders
kann. Sein Hang zum Krimi, zu stimmigen Szenarien und genauen Charakterbeschreibungen
haben es zusammen mit dem Beitrag seines Partners Janry erreicht,
das nach dem Weggang von André Franquin jahr(zehnt)elang dahindümpelnde
Flaggschiff der belgischen Comic-Szene "Spirou" wieder in eine
lesenswerten Topserie und deren Helden von flachen Stereotypen in lebende,
ja, liebende und leidende Menschen zu verwandeln. Insbesondere im 44.(!)
Spirou-Band, "Jagd auf Spirou", der optisch wie inhaltlich einen
außergewöhnlich gewagten Schritt für die Traditionsserie
bedeutete. Tomes Arbeiten wurden auch schon vielfach preisgekrönt
unter anderem erhielt er bereits drei "Prix Alph'Art", die Trophäen
des französischen Comic-Salons in Angoulême.
Heute, Mitte 40, kann Philippe Tome bereits auf ein nicht nur umfangreiches,
sondern auch inhaltlich diverses man denke nur an die frechen One-Pager
des "kleinen Spirou"!-uvre zurückblicken. Mit seiner
Nominierung wird auf die Leistungen eines extrem talentierten und fleißigen
Mainstream-Autors hingewiesen, eines Erzählers, der zu unterhalten
und zu fesseln weiß. (hah)
|
Yann
Seine Herkunft aus den Seiten des guten, alten Spirou-Magazins kann der
Texter Yann nicht verleugnen. Die Vorbilder für seine "Helden
ohne Skrupel", aber auch für die "Dirty Harry/Die Hard"-Parodie
"Spoon & White", sind zweifellos die franko-belgischen Comicgötter
Franquin ("Spirou und Fantasio"), Peyo ("Die Schlümpfe"),
Morris ("Lucky Luke") oder Uderzo und Goscinny ("Asterix")
und ihre école marcinelle (benannt nach dem Brüsseler Vorort,
in dem Franquin jahrelang sein Studio hatte). Doch Yanns Figuren sind
definitiv nichts für kleine Kinder. Da wird gesoffen und geraucht,
es gibt heißen Sex und brutale (sehr brutale!) Morde, alles garniert
mit einem sehr skurrilen, fast schon zynischen Humor. Die erste Geschichte
der "Helden ohne Skrupel", "Matricule Triple Zéro",
die zeichnerisch und vom Storytelling sehr an Milton Canniffs Abenteuerklassiker
Terry und die Piraten erinnerte, musste mittendrin abgebrochen werden;
der Redaktion von "Spirou" war die Geschichte zu sarkastisch.
Der Kleinverlag Temps Futur nahm sich der "Innommables" (so
der Originaltitel der Serie) an, aber Querelen zwischen den Künstlern
und ihren Verlagen stoppten auch hier die kontinuierliche Veröffentlichung.
Erst 1996 bot Dargaud der Serie eine neue verlegerische Heimat. Sieben
Alben liegen bereits auf Französisch vor.
Bei allen anarchistischen Frechheiten, die sich Texter Yann in seinen
Arbeiten heraus nimmt, begreift er sich doch als Bewahrer der franko-belgischen
Traditionen. So stammten von ihm nicht nur die ersten Fortsetzungen von
Franquins "Marsupilami" (als der Verlag sich zu sehr dem Disney-Stil
anpassen wollte, schmiss Yann die Brocken hin), auch seine mit Simon und
Jean Léturgie entstandene Serie "Spoon & White" (deutsch
beim Kleinverlag Phoenix), eine brutale Parodie auf amerikanische Actionstreifen,
ist in Frankreich durch die vielen Anspielungen auf aktuelle politische
Ereignisse und Personen sehr populär. Die "Helden ohne Skrupel"
freilich bleiben seine komplexeste Serie, denn bei allen sexistischen
und rassistischen Scherzen, von denen weder Europäer, noch Afrikaner,
noch Asiaten verschont bleiben, gelingt es ihm hier doch den Hauch romantischer
Abenteuer einzufangen. Von all den Nachahmern Franquins schafft Yann es
am ehesten, den klassischen Spirou-Stil in unser Jahrhundert zu transferieren.
Selbst die hochgelobten Franquin-Adepten Tome und Janry sind in ihrem
letzten Spirou-Band daran gescheitert und haben lediglich ein plattes
Mangaplagiat vorgelegt. (LuG)
|

|